„Ich bin immer schon Lehrerin gewesen. Ich glaube nicht, dass ich jetzt, Mitte Vierzig und 20 Jahre vor der Pensionierung, einen neuen Beruf lernen kann. Ich fühle mich innerlich paralysiert und vor meinen Kindern bloßgestellt, denn sie sehen mich zum ersten Mal arbeitslos“.
Maram lernte Deutsch bis zum C1 Niveaus. Anschließend fing das Jobcenter an, sie dazu zu drängen, willkürlich einen Job in einer beliebigen Branche zu finden. Doch der Lehrtätigkeit auf den Berliner-Schulen blieb sie wegen ihres Kopftuchs ausgeschlossen. Am Anfang stand sie unter großem Schock. Sie wusste nicht, welchen schlechten Einfluss ihre Kopfbedeckung auf die Kinder haben sollte. Die Erklärung, dass Kinder kein Kontakt zu religiösen Symbolen haben sollten, während sie paradoxerweise in den Schulen jährlich Weihnachten und Ostern feiern, überzeugte sie nicht.
Mit der Zeit und unter diesem Druck arbeitete sie ehrenamtlich bei einer Organisation für geflüchtete Frauen, wo ihr Kopftuch kein Hindernis darstellte. Sie lehrte dort die Kinder ab und zu arabische Sprache.
Abeer war auch mal Lehrerin. Sie lehrte Mathematik in der Mittelstufe für 15 Jahre.
Sie wusste seit dem ersten Tag, dass sich ihr Leben für immer veränderte. Sie öffnete ihren Herzen für alle Veränderungen in ihrem neuen Leben und kämpfte an allen Fronten, um Erfolg zu erlangen. Doch die Aussichtslosigkeit des beruflichen Wegs war ihr klar. Sie ließ ihren Abschluss anerkennen, sammelte Erfahrungen neben dem Erlernen der deutschen Sprache auf hohem Niveau und absolvierte daraufhin einen Abschluss in einem weiteren Lehrfach, da dies eine Vorschrift ist, um als Schullehrer*in in Deutschland zu arbeiten. Doch eine Hürde war für sie nicht überwindbar. Sie selbst. Ihr Charakter, ihr Aussehen, alles woran sie in ihrem Leben pflegte, zu glauben. Sie ist jetzt nicht dazu befugt, ihre Freiheit im Berufsauswahl zu leben, denn Ihr Kopftuch zeichnet ihr unsichtbare Grenzen in ihrer Sichtweite auf.
Abier versuchte, den letzten Satz zu reformulieren, um ihn zu verbessern: „Nicht mein Kopftuch begrenzt mich, sondern das Neutralitätsgesetz, das keineswegs neutral ist.“
Ehemalige Teilnehmerinnen des Programms Young Refugee Leadership von der Organisation Women For Common Spaces führten eine Umfrage an einer kleinen Gruppe Frauen mit Kopftuch in Berlin durch. Das Alter dieser Frauen lag zwischen 24-40 und die meisten von ihnen kamen erst n ach 2015 in Deutschland an. Es herrscht ein Konsens darüber, dass eine Diskrepanz zwischen den Chancen der Frauen mit- und der Frauen ohne Kopftuch auf dem Berliner Arbeitsmarkt besteht.
85% der Teilnehmerinnen an der Umfrage denken, dass das Neutralitätsgesetz dem Recht darauf entgegenwirkt, nicht wegen des Aussehens oder des Glaubens benachteiligt zu werden. 67% denken, dass in diesem Beschluss eine genderbezogene Benachteiligung besteht, denn nicht muslimische Männer, sondern ausschließlich muslimische Frauen sind davon betroffen. Auch bestärkt dieses Gesetz strukturell die Diskriminierung aufgrund der religiösen Angehörigkeit auf Arbeitsplätzen, laut 71 % der Teilnehmerinnen; denn keine Angehörige weiterer Religionen sind davon betroffen, außer die Musliminnen.
Diese Umfrage wurde im Anschluss an den Beschluss des Europäischen Gerichtshof in Luxemburg EGH am 13.10.2022 durchgeführt, der den Arbeitsgebenden erlaubt, das sichtbare Tragen religiöser, weltanschaulicher oder spiritueller Symbole auf Arbeitsplätzen zu verbieten. Dies gilt, wenn diese interne Regel für alle Mitarbeitende gleich gilt und Zwecke erfüllt, wie das Vermitteln eines neutralen Bilds an den Kund*innen, oder das Vermeiden gesellschaftlicher Konflikte. Dir alleinige Wille der Arbeitsgebende, ein neutrales Bild über das Unternehmen zu vermitteln, ist hierfür nicht ausreichend.
Die Umfrage wurde im Rahmen eines Trainings an einer kleinen Gruppe befragter Frauen durchgeführt, weshalb ihre Ergebnisse nicht auf eine Metaebene übertragbar sind. Doch diese Ergebnisse stimmen mit den Aussagen der Frauen mit Kopftuch überein, mit denen wir über das gleiche Thema ein Interview führten. Sie berichteten über ihre Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt in Berlin und über den herrschenden Diskurs auf migrantischen Gruppen in den sozialen Medien – vor allem Gruppen die mit Frauen- und Arbeiter*innenrechten solidarisieren. Diese Gruppen versuchen eine Bühne für betroffenen Frauen von dem Beschluss des EGH und gleichermaßen von dem Berliner Neutralitätsgesetz, zu bieten. Diese zwei Beschlüsse spiegeln eine institutionelle Diskriminierung wider, die von der Berliner Landesregierung entgegen der Verfassung betrieben wird, die auf eine Gleichbehandlung der Geschlechter zielt. Dies kann als eine enorme Geschlechterdiskriminierung eingestuft werden.
Das Kopftuch als juristischer Fall auf den deutschen Gerichtshöfen:
Hiermit wird ein chronologischer Verlauf über das Thema Kopftuch in Deutschland als juristische Frage zusammenfassend wiedergegeben. Im Jahr 2003 traf das Bundesverfassungsgericht ein Urteil zugunsten von einer Lehrerin, die wegen ihres Kopftuchs nicht mehr auf Schulen lehren durfte. Das Urteil bezog sich auf die zwei Grundrechte der Lehrerin, nämlich die Religionsfreiheit und das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte, je nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daraufhin wurde 2005 das Neutralitätsgesetz in sieben verschiedene Bundesländer durchgesetzt: Baden Württem-Berg, Brandenburg, Bremen, Hesse, Bayern, Niedersachsen und Saarland.
Das Gesetzt verbietet Lehrenden und Pädagog*innen auf Schulen, religiöse oder ideologische Symbole sichtbar zu tragen. Das Gleiche gilt für Mitarbeitende im öffentlichen Dienst, zum Beispiel Polizist*innen oder Gerichtsbeamt*innen.
Das Gesetz löst seitdem kontroverse Diskussionen aus; vor allem zwischen der SPD und der Grünen-Partei. Die Letztere betrachtet das Gesetz als diskriminierend, während die Erstere es befürwortet.
Klagen vor Arbeitsgerichten häuften sich. Im Jahr 2015 untersuchte das Bundesverfassungsgericht die Frage des „pauschalen Kopftuchverbots auf Schulen“ und erklärte es erneut als nicht vereinbar mit der Verfassung. Die genaue Erklärung dafür war: Es muss bewiesen werden, dass das Kopftuch eine konkrete Gefährdung des Friedens der Schule darstellt. Eine lediglich abstrakte Gefährdung, die auf einer allgemeinen Schätzung der Schullage beruht, reicht dafür nicht aus, das Tragen religiöser Symbole in den Schulen zu verbieten.
Die Klagen hielten für die nächsten Jahren an, bis sie von dem Bundesarbeitsgericht im Jahr 2020 beendet wurden, indem es dagegen entschieden wurde, die Staatsneutralität in den Schulen repräsentieren zu müssen. Doch Berlin hielt an dem Gesetz fest und sah, eine abstrakte Gefährdung der Schüler*innen als ausreichend für ein Verbot des Tragens religiöser Symbole.
Im Jahr 2021 beschloss der Bundesrat ein Gesetz für die Bestimmung von Kleidungsvorschriften. Das Gesetz legte Grenze für bestimmte Erscheinungsbilder der Mitarbeitende im öffentlichen Dienst fest. Beispiele dafür sind: Tattoos, Piercing, Bärte und Schmuck mit religiöser Symbolik wie auch islamisches Kopftuch, jüdische Kippa und christliches Kreuz. Ziel dieses Gesetzes war das Einschränken bis hin zum Verbieten des sichtbaren Tragens dieser Symbole, um das Vertrauen in der Neutralität dieser Institutionen als Repräsentation der staatlichen Neutralität aufrechtzuhalten.
Die Koalition beschloss in ihrem Koalitionsvertrag, an das Neutralitätsgesetz zu arbeiten, aufgrund der vielen juristischen Unstimmigkeiten, die dieses Gesetz bei dem Bundesverfassungsgericht erzeugte. Trotzdem gab es bisher keine gravierenden Veränderungen darin. Franziska Giffey, die jetzige Bürgermeisterin Berlins und die ehemalige Bezirksbürgermeisterin von Neukölln, ist Verfechterin des Neutralitätsgesetzes. Sie ist der Überzeugung, dass jegliche Art religiöser Symbole in den Schulen das Frieden der Schule gefährden kann. Sie sagte: „Ich denke, dass wir dafür streiten müssen, dass dieses Neutralitätsgesetz in der Stadt Bestand haben kann. Und es geht nicht darum, eine bestimmte Gruppe zu diskriminieren, es geht darum zu sagen: Die Neutralität des Staates und auch die Neutralität der Lehrer in der Schule ist für uns höher zu bewerten als das individuelle Recht der Religionsausübung“.
Anfangs 2022 beschloss die Landesfraktion in Berlin in ihrem Vertrag, an das Gesetz zu arbeiten im Angesicht der zahlreichen gerichtlichen Verfahren, die durch dieses Gesetz zu Stande kamen. Eine Abschaffung dessen bleibt jedoch ausgeschlossen.
Das Neutralitätsgesetz zwischen Stereotypen und Vertrauensverlust:
Das Gesetz ist auf mehreren Ebenen diskriminierend. Auf der einen Seite schließt es eine Minderheitsgruppe dem Recht auf Arbeit und Religionsfreiheit aus. Auch unterstellt es dieser Gruppe eine mögliche Gefährdung der staatlichen und institutionellen Neutralität und Frieden. Auf der anderen Seite bestärkt das Gesetz frauenfeindlichen Sexismus, denn es richtet sich, zumindest bis jetzt, ausschließlich gegen muslimische Frauen. Außer es gelangt der Gesetzgebung zukünftig, Menschen nach ihren Namen, der Länge ihrer Bärte oder danach, ob sie beschnitten sind, in ihrer Arbeitsauswahl zu beschränken.
Diana und Sara sind ehemalige Lehrerinnen und Teilnehmerinnen an dem Programm Young Refugee Leadership. Sie nehmen ab und zu ehrenamtlich an den Klassenfahrten oder Feierlichkeiten der Schulen ihrer Kinder teil, um mit auf die anderen Kinder aufzupassen. Sie beobachteten bis her noch nie einen Unterschied zwischen dem Umgang der Kinder mit ihnen und mit den anderen nicht bedeckten Betreuerinnen. Der negative Einfluss des Kopftuchs auf die Kinder blieb den beiden ein Rätsel.
Sara: “Rassismus ist bei Kindern nicht angeboren, sondern wird ihnen anerzogen.“
Frauen mit Kopftuch sind tagtäglich in der Öffentlichkeit zu sehen. Für Kinder und Heranwachsende wäre es irritierend, auf diesen Frauen mit den Hintergedanken zu treffen, dass wenn eine von ihnen ihre Lehrerin wäre, der Frieden ihrer Schule gefährdet sein könnte. Dies ist im Endeffekt der Kernpunkt des Neutralitätsgesetzes.
Die Menschendiversität aufgrund der zunehmenden Einwanderung in Berlin, vor allem in den letzten zehn Jahren, nahm so rasant zu, dass an manchen Orte eine Schule bis zu 90% Schüler*innen mit Migrationshintergrund hat. Dadurch entstehen relativ große Herausforderungen an kulturellen und religiösen Differenzen.
Die Annahme, das Kopftuch vermittele Voreingenommenheit, trägt nicht zur Lösung der potenziellen Probleme bei, die aus diesen kulturellen Differenzen resultieren. Im Gegenteil werden diese Probleme durch diese Annahme möglicherweise bestärkt.
Es ist unfair, den akademischen Werdegang und die praktischen Kenntnisse, die sich diese Frau in ihrer Ausbildung zur Schullehrerin aneignete, zu relativieren, weil sie ihren Kopf bedeckt.
Außerdem wird diese potenzielle Lehrerin nicht als kulturelle Bereicherung für die Schule angesehen. Ihre soft skills wie zum Beispiel die interkulturelle Sensibilität werden nicht darin investiert, die gegenseitige Kommunikation zwischen den Schüler*innen und der Schule, unter den Schüler*innen selbst und zwischen ihnen und ihren Eltern zu verbessern – vor allem in sensiblen Themen, wie dem Umgang mit Differenzen und Gemeinsamkeiten in der Frage Gender- und sexuelle Identität.
An diesem Punkt erreicht die dem Gesetz innewohnende Stereotypisierung ihren Höhepunkt. Denn es wird einer Frau mit Kopftuch unterstellt, unfähig zu sein, Toleranz gegenüber anderen zu haben und sie ihren Schüler*innen weiterzugeben.
Es ist ebenso befremdlich, zu denken, dass ein Kopftuch Einfluss auf ihre Kompetenz als Lehrerin hat.
Das Kopftuch wird anhand eines Spektrums an Annahmen gemessen. Im besten Fall wird das Kopftuch auf das Zeichen für die Verschlossenheit dieser Frau reduziert. Im schlimmsten Fall wird angenommen, dass diese Frau einen terroristischen Hintergrund hat.
Diese Logik lässt uns die Frage stellen: Können deshalb rechtsradikale Menschen in staatlichen Apparaten und öffentlichen Institutionen so lange amtieren, sogar verfassungsfeindlichen Gruppierungen angehören, ohne aufgedeckt zu werden, weil sie keine Symbole tragen, die sie suspekt machen?
Diese Fälle gab es in den vergangenen Jahren laut dem deutschen Sicherheitsdienst zuhauf.
„Niedliche“ Angriffe:
Sämtliche Frauen mit Kopftuch begegnen täglich rassistische verbale oder physische Angriffe, da sie schnell erkennbar und einfache Ziele für islamfeindliche Menschen sind. Dazu werden sie stereotypisiert als unterwürfige, verschlossene Frauen, die lediglich die Funktion der Mütterlichkeit und der sexuellen Befriedigung ihrer Männer erfüllen. Ihre Chancen darauf, ihre eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen zu zeigen und sie zu entwickeln, werden ihnen entnommen. Ihr Zugang zur aktiven und fairen Teilhabe wird dadurch enorm erschwert.
Solchen latenten Angriffen begegnen Frauen mit Kopftuch meistens auf der Arbeit seitens der Kolleg*innen, Vorgesetzten oder auch Kund*innen. Betroffene empfinden diese Art von Angriffen am verletzenden. Das Beste Beispiel dafür ist das infrage stellen ihrer Kompetenzen oder ihres Abschlusses aus ihrem Herkunftsland, indem er geringer geschätzt wird im Vergleich zu einem gleichwertigen Abschluss in Deutschland.
Das hat Aya aus Syrien erlebt. Ihr Kollege verhöhnte sie in einer Diskussion über ein Thema, indem er sich lustig machte über die Universität in Syrien, auf der sie ihr Wissen über das Thema herhatte. Er sagte ihr spöttisch: „Zieh mal dein Kopftuch herunter, vielleicht hörst du dann besser.“ Er verteidigte sich später damit, dass er nur Spaß machen wollte.
Humor und Spaß sind die meistgenutzten Ventile, um aus solchen Situationen rauszugehen und um Rollen zu tauschen. So wird die Betroffene darin beschuldigt, missverstanden zu haben und die Arbeitsatmosphäre zu stören, weil ihre hohe Sensibilität unerträglich sei. Zusätzlich wird sie entfremdet und systematisch der Arbeitsgruppe ausgeschlossen. Das Arbeitsklima wurde für Aya unerträglich, so blieb sie zuhause und ging nicht mehr zur Arbeit. Später gab sie auf und kündigte ihre Stelle.
Es ist für Mobber*innen auf der Arbeit einfach, bei jedem inhaltlichen Fehler oder bei jedem Konflikt, die Kollegin mit dem Kopftuch zu beschuldigen. Denn sie ist in diesem Kontext je nach ihrem Fall: die Fremde, die Geflüchtete, die andere…
Sie kann sich am wenigsten verteidigen und bekommt am wenigsten Unterstützung von Kolleg*innen. Arbeitsgeber*innen neigen in solchen Situationen dazu, Konflikte zu vermeiden und stellen den Verlust einer kompetenten Arbeitsnehmerin dafür in Erwägung.
Die meisten Störungen kommen seitens der Kund*innen, die sich zum Teil weigern, eine Beratung oder Dienstleistung von einer bedeckten Mitarbeiterin zu erhalten. Arbeitgeber*innen neigen im Schnitt auch hier dazu, die Kundschaft vorzuziehen auf die Kosten ihrer Mitarbeiterin, abgesehen von ihren Kompetenzen. Das erzeugt bei ihr Frust.
Das passiert auch im medizinischen Bereich. Patient*innen weigern sich, von einer medizinischen Kraft mit Kopftuch untersuchen zu lassen, indem sie sagen: „Ich möchte eine deutsche Ärztin/ einen deutschen Arzt.“
In medizinischen Institutionen reagieren die Zuständigen meistens positiv und zugunsten ihrer Mitarbeiterin. Dies kann auf mehreren Gründen zurückgeführt werden. Es gibt einen Mangel an Arbeitskräfte in diesem Bereich. Es besteht hohes Bewusstsein über Diskriminierung in Kreisen mit hohem akademischem Niveau – hierzu gibt es sicherlich auch Ausnahmen. Schließlich besteht ein Zeitdruck, der für solche Auseinandersetzungen wenig Kapazität bietet (Quelle: eine Gruppe syrischer Ärzte in Deutschland).
Es gibt leider keine Zahlen oder Statistiken, die solche Diskriminierungs- oder Rasissmuserfahrungen in unterschiedlichen Berufen belegen. Doch es gibt, laut der gleichen Gruppe Ärzte, einen signifikanten Unterschied zwischen ehemaligen DDR-Städten und Städten im West- und Süd Deutschlands. Ebenso werden solche Verhaltensweisen öfter bei älteren Menschen als bei jüngeren beobachtet.
Suheir ist Frisörin. Sie ist Ende Zwanzig und trägt ein Kopftuch. Auf dem Weg zur Arbeit hörte sie des Öfteren Aussagen wie: „Kehr zurück, dahin wo du herkommst“ oder „Geh nach Saudi-Arabien oder Afghanistan“. Sie lernte solche Aussagen, zu ignorieren und sie nicht an sich herankommen zu lassen.
Doch hier lässt sich eine Frage stellen. Warum müssen wir Frauen immer den Regeln unserem jetzigen geografischen Ort unterworfen sein? In theokratischen Staaten müssen wir uns verschleiern, um unser Recht auf Sicherheit zu bewahren. In Ländern der Freiheiten müssen wir unseren Schleier absetzen, um unser Recht auf Arbeit zu bewahren. Wohin müssen wir noch fliehen, um all unsere Grundrechte ohne Vorurteile und Vorschriften zu erlangen.
In der gleichen von uns durchgeführten Umfrage von Women For Common Spaces erlebten 26% der befragten Frauen einen diskriminierenden Umgang seitens der Arbeitgebenden oder Kolleg*innen. 37% machten solche Erfahrungen mit Kund*innen. 20% der Befragten mussten die Arbeit verlassen unter dem Druck solcher Diskriminierungen. 46% fürchten, solche Erfahrungen machen zu müssen, jedoch keine Maßnahmen dagegen ergreifen zu können, damit sie nicht ihre fast nicht ersetzbare Arbeitsstelle verlieren. Denn es ist ohnehin schwer für sie, eine Arbeit zu finden.
Folgen der Beschlüsse des EGHs:
Dieser Beschluss instrumentalisiert und legalisiert Diskriminierungen innerhalb von Unternehmen. Er blendet zusätzlich aus, dass eine ganze Gruppe steuerzahlender Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben. Dies ist dem System ein Verlust und eine Belastung zugleich ist, indem diese Gruppe finanziell vom Arbeitsmarkt abhängig bleibt. Diese Gruppe Frauen wird gleichzeitig einer mehrschichtigen patriarchalischen Unterdrückung unterworfen. Diese Unterdrückung fängt beim Senat an und geht durch das EGH über bis hin zu den Männern in der eigenen Familie oder den Arbeitgebern auf dem Schwarzmarkt. Sie sind dadurch innerhalb einer komplexen Gewaltstruktur gefangen, in der sie familiäre Gewalt, finanzielle Abhängigkeit und eine Fremdbestimmung über ihr berufliches Leben erleben. Sie bleiben in der Rolle der unfähigen und schwachen Frau hängen und bedienen dadurch die ihnen zugeschriebenen Stereotypen.
Das Neutralitätsgesetz erzeugt eine kontroverse Debatte zwischen politischen Parteien in Deutschland. Seine Beständigkeit hält eine diskriminierende Dynamik gegen eine Minderheit, nämlich muslimische Frauen in Deutschland, aufrecht. Die menschlich natürliche Reaktion darauf, ist der Rückzug in eine Parallelgesellschaft. Diese Parallelgesellschaft wird als fremd und bedrohlich in der deutschen Mehrheitsgesellschaft empfunden und gleichzeitig profitieren extremistische Gruppen aus jeglicher Ideologie von solchen Gesellschaften am meisten.