Als Yasmin Merei von Women for Common Space e.V. mich anfragte, ob ich an einer Diskussion zum Bild arabischer Frauen in deutschen Medien teilnehme, zögerte ich zuerst. Vor allem als ich hörte, wer im digitalen Publikum sitzen würde: Frauen mit Flucht- oder Migrationserfahrungen. Meine Bedenken? Ich finde es immer kritisch, wenn eine Person, die solche Erfahrungen nicht teilt, so viel exklusiven Raum bekommt. Und damit meine ich nicht nur die fehlende Perspektive auf Flucht und Migration, sondern auch Rassismus und andere Formen der intersektionalen Diskriminierung, die ich nicht durchleben muss. Wenn ich spüre, dass Veranstalter*innen diese Ebenen nicht mitdenken, sage ich lieber ab.
Doch WFCS achtet sehr darauf, inklusiv zu sein und ungehörte Stimmen hörbar zu machen. Oft werden Veranstaltungen in Deutschland mit ähnlichem internationalem Themenschwerpunkt in englischer Sprache angeboten. Das schließt aber sehr viele Menschen aus, die sich dann auch nicht an dem Diskurs beteiligen können. WFCS ist eine der wenigen Initiativen, die ich kenne, die arabisch-deutsche Simultanübersetzung anbieten. Außerdem ist die Quote von Menschen mit internationaler Geschichte als geladene Expert*innen überdurchschnittlich hoch.
Zurück zum eigentlichen Thema: das Fremdbild der arabischen Frau in deutschen Medien. Ich freute mich auf die Teilnehmerinnen; eine Gruppe von 6 Frauen aus Herkunftsländern wie Syrien, Somalia und Ägypten, die im Exil in Deutschland oder dem Libanon leben. Darunter Politikwissenschaftlerinnen, Anwältinnen und Journalistinnen. Nachdem sie bereits an mehreren Workshops zu politischem Wandel, Gender-Theorie und Intersektionalität, Identität, Stigma und Privilegien, soziale Gerechtigkeit teilgenommen hatten, hoffte ich, mit meinem Themenschwerpunkt nicht zu sehr an der Oberfläche zu kratzen. Aber das tun die sogenannten medialen Fremdbilder eigentlich nie, sie dringen tief in uns ein und bestimmen einen großen Teil unsere Identität.
Fremdbilder gehören seit der Steinzeit zum Wesen des Menschen, um Fremde als Fremde zu kategorisieren. Vor 2 Millionen Jahren war das überlebenswichtig und diente der Abgrenzung und dem Schutz der eigenen Gruppe.
Heute helfen die Schablonen für andere Menschen und Lebensweisen auch dabei, Fragen wie diese zu beantworten: Wer bin ich? Wer sind wir? Wer sind die »Anderen«? Denn unser Bild von den »Anderen« hilft uns dabei, eine Identität zu finden und unser Selbstbild zu stärken. Das ist nicht verkehrt. Wir brauchen Orientierung, um das Gefühl zu haben: Wo ich bin, da gehöre ich hin. Und hier, wo viele ein mehr oder minder ähnliches Weltbild vertreten, werde ich auch angenommen. Nur: Wo Menschen dazugehören, gibt es auch Außenseiter.
Und für die wird das ganze zum Problem, wenn sie Teil einer Gesellschaft werden, die Rassismus zur Identitätsfindung einsetzt. In ihnen hört das Individuum auf zu existieren.
Die deutsche Journalistin Büşra Delikaya beschreibt diesen Prozess eindrücklich in einer Diskussion auf Instagram auf dem Kanal der Neuen deutschen Medienmacher*innen:
Wenn sie mit ihrem Kopftuch einen Raum betritt, projizieren Menschen ihre Stereotype oder Fremdbilder auf sie und stecken für sie eine ganz klare Grenze, wer sie sein kann. Delikaya ist eine Muslimin, sie interessiert sich wahrscheinlich für Familie, als Journalistin schreibt sie wahrscheinlich über Migration. Diese Grenze verhindert es, dass Büsra vielleich t Biologin oder als Journalistin die Bundesliga, also Fußball, als Themenschwerpunkt haben könnte. Es geht nicht darum, was sie wirklich macht, das Problem ist die nicht vorhandene Vorstellungskraft, dass Delikaya mehr sein könnte als ein Bild in meinem Kopf.
Medien erzeugen Bilder in unserem Kopf. Sie haben die Macht komplexe Charaktere eindimensional erscheinen zu lassen. Der Begriff der „pictures in our head“ – Fremdbilder – wurde erstmals vom Journalisten und Schriftsteller Walter Lippmann in seinem Buch »Die öffentliche Meinung« geprägt, das 1922 erschien.
Jede*r hat Fremdbilder – die Gedanken sind frei – das muss ja nichts Schlechtes bedeuten, oder? Falsch. Die imaginären Grenzen können für Menschen zur echten Benachteiligung werden. Seit über 20 Jahren analysiert Prof. Dr. Kai Hafez die Entstehung von Islambildern in Presse, Radio und Fernsehen in Deutschland. Dabei fiel auf, dass über »Muslime in Deutschland« häufig parallel zu Negativ-Themen wie islamistischen Extremismus berichtet wird. Das beeinflusst die öffentliche Wahrnehmung: In einer Studie der Bertelsmann Stiftung von 2014 gaben 57% der nichtmuslimischen Mehrheitsbevölkerung an, dass sie den Islam als bedrohlich empfinden.
Aber Fremdbilder fallen nicht immer sofort auf. Mit den Teilnehmerinnen besprach ich deshalb einen meiner Texte, in denen ich Fremdbilder von arabischen Frauen im feministischen Kontext erzeugt hatte. Vorab eine kleine Triggerwarnung: Der Beitrag behandelt sexualisierte Belästigung.
Der Beitrag war betitelt mit: „Es ist Zeit für einen arabischen Weinstein Prozess“. Den Anfang machte das britisch-ägyptische Model Merhan Keller. Sie veröffentlichte im Juni 2019 auf Instagram einen Chat mit Amr Warda, Spieler der ägyptischen Fußballnationalmannschaft. In dem kurzen Gespräch will Warda sie zu einem Treffen überreden. Als Keller ablehnt, versucht der 25-Jährige, sie unter Druck zu setzen, indem er behauptet, nur ihretwegen in der Stadt zu sein und all seine Pläne für sie abgesagt zu haben. Das mag auf den ersten Blick harmlos wirken, doch das Model fühlte sich bedrängt: »Ich habe versucht, aus der Nummer rauszukommen … dann wurde er aggressiv.«
Weil ich von viele Frauen aus arabischen Ländern solche Storys und Schlimmeres höre, wollte ich mit Bezug auf der in den USA gestarteten #Metoo-Bewegung, kommentieren: Es bräuchte auch Gerichtsprozesse in diesen Ländern gegen Männer, die ihre Machtpositionen ausnutzen, vergleichbar mit dem Prozess gegen den Hollywoodproduzenten Weinstein.
Ich mache nur leider etwas, was in deutschen oder auch westlichen Medien oft gemacht wird. Feminismus wird so erzählt, als habe der Westen ihn erfunden und der Osten müsse nachziehen. Und genau das, habe ich hier auch gemacht. Warum nenne ich es ARABISCHEN Weinstein-Prozess? Natürlich war das ein wichtiger Prozess für Frauen, auch global gesehen. Aber es klingt wieder so, als müsse der Osten nach dem Vorbild des Westens leben. Und die Errungenschaften von Feminist:innen in arabischen Ländern wird ausgeklammert. Und dann sieht es schnell so aus, als gebe es keinen eigenständigen Feminismus. Was ja komplett falsch ist.
Und da sind sie wieder, die Fremdbilder: Sie setzen Grenzen für das, was Frauen in arabischen Ländern erreichen können.
Das fällt mir vor allem auf, wenn deutsche Medien über Demonstrationen im arabischen Raum berichten.
I will sum up the part about the demonstration imagery of women and then come to the part of what could be done (self-organisation and cross-boarder). Plus I want to include the questions which came from the participants. I wrote down 2 but maybe you remember more? I was sad that the chat was deleted after we closed the conversation. Because Nourhan pointed out some great things:
Warum fehlen Geschichten von Schwarzen Frauen aus afrikanischen Ländern?
Ist es nicht kontraproduktiv, wenn zwischen non-native speakers und Medien immer ein deutschsprachiger Surrogat sitzt?