Verdient haben sie alles: Unterstützung, Respekt und Mitgefühl, Hochachtung, Empathie und Interesse. Aber was wollen geflüchtete Frauen? Was brauchen sie? Und warum fällt es uns so schwer, das herauszufinden?
Es gibt eine offensichtliche Kluft zwischen den Wünschen und Bedürfnissen dieser Frauen und der scheinbar grenzenlosen Solidarität und guten Absicht der aufnehmenden Gesellschaft. Um diese zu überwinden, möchte das Onlineportal womenforcommonspaces.org die gängige Medienberichterstattung über geflüchtete Frauen ändern, sie selbst zu Wort kommen lassen und negative Stereotype aufbrechen. So werden aus geflüchteten Frauen schreibende Frauen, selbstbestimmte Menschen, Bürgerinnen – im Optimalfall.
Aber der Drang der Deutschen zur Befreiung anderer bewirkt mitunter das Gegenteil. Dann fühlt sich jede, die sich nicht anpasst – äußerlich und im Verhalten – erneut unter Druck, kämpft mit Ausgrenzung und Ablehnung. Dieser falsch verstandene Befreiungsimpuls der deutschen Öffentlichkeit hat mit Unwissenheit und Unsicherheit zu tun. Viele engagierte und gutmeinende Deutsche sind verunsichert und wollen nichts falsch machen. Sie lesen einen Artikel über Zwangsheirat und sehen in jeder verheirateten Syrerin eine unfreiwillige Ehefrau. Sie hören von schlagenden Männern und bemitleiden geflüchtete Frauen allesamt als Opfer häuslicher Gewalt. Sie sehen, wie sich immer mehr Syrerinnen in Deutschland scheiden lassen, weil sie verstehen, dass sie in einem Sozialstaat auch ohne ihre Männer versorgt sind. Und manch deutsche Frau freut sich und denkt, dass diese frisch geschiedenen Syrerinnen als nächstes ihr Kopftuch ablegen. Denn erst dann wäre die Selbstbefreiung ihrer Meinung nach vollständig.
Doch wer definiert die persönliche Freiheit einer Frau? Darf man Menschen gegen ihren Willen befreien, weil man davon ausgeht, dass ihnen selbst die Kraft dazu fehlt? Natürlich ist das Leiden der Frauen anzuerkennen und aufgrund der Zustände in ihrer Heimat sind Syrerinnen oft doppelt unterdrückt – politisch und gesellschaftlich. Aber indem wir sie zuallererst als Opfer der Diktatur und des Patriarchats wahrnehmen, tun wir ihnen und uns keinen Gefallen. Denn dann wird Unterstützung zur Bevormundung. Wie also kann man ermutigen ohne zu nötigen? Wie helfen ohne abhängig zu machen?
Der erste Schritt ist Zuhören. Oder Nachlesen – etwa die Texte, die im Rahmen des Projektes Women for Common Spaces seit 2017 als Female Voices in exile erschienen sind. Sie zeigen, wie unterschiedlich die Erfahrungen syrischer Frauen sind je nachdem woher sie kommen, welchem sozialen Umfeld sie entstammen und welche Menschen ihr Leben bis jetzt geprägt haben. Manche schreiben von „innerem Gefängnis“ und „zensierten Gedanken“, sie begehren nicht nur gegen ein Regime und eine Gesellschaft auf, sondern auch gegen die eigene Familie – allerdings nur im Selbstgespräch. Diese inneren Monologe hörbar zu machen, ermächtigt die Sprecherin und könnte dazu führen, dass sie die aus ihrer Sicht notwendigen Entscheidungen trifft.
Andere berichten, wie die deutsche Bürokratie die Hoffnung auf berufliche Entwicklung zerstört: „Alles, was ich im Leben erreicht habe, ist zu nichts geworden, alle meine Leistungen haben keinen Wert mehr.“ Wer dadurch in Depressionen versinkt und versucht, innere Stabilität wiederherzustellen, braucht moralische Stärkung und neue unbürokratische Perspektiven.
Viele Frauen kämpfen gegen Gefühle an, die sie lähmen – Trauer über einen getöteten Sohn, Sorge um zurückgebliebene Eltern, Bangen um den verhafteten Bruder. Ihnen können emotionale Anteilnahme und psychologische Begleitung helfen. Einige Syrerinnen haben Angst vor Abschiebung und wünschen sich nichts sehnlicher als eine eigene Wohnung, in der sie sich sicher und geborgen fühlen, damit sie endlich ein neues Leben starten können. Rechtlicher Beistand und praktische Unterstützung sind in diesen Fällen wichtig, im Kern geht es aber um eine andere Wohnungs- und Asylpolitik in Deutschland. Sich für innenpolitische Veränderungen einzusetzen und Geflüchtete dabei als Verbündete zu gewinnen, macht diese zu zivilgesellschaftlichen AkteurInnen – ein erklärtes Ziel der sozialen Integration.
Eine 14jährige beschreibt den Schmerz des Getrenntseins, zwischen ihr und ihrem Vater liegen sieben Länder. „Wie lange noch müssen wir unsere Eltern nur auf den Bildschirmen unserer Handys oder Laptops sehen?“ Die Tatsache, dass Familienzusammenführungen oft mehrere Jahre dauern, ist nicht nachvollziehbar. Das ungewisse Warten belastet alle Beteiligten und wirkt in jedem Sinne kontraproduktiv. Hier braucht es beschleunigte juristische Verfahren, weniger bürokratische Hürden und mutigere Entscheider in den Behörden.
Insgesamt steht sich Deutschland im Umgang mit Geflüchteten und Migranten viel zu oft selbst im Weg mit seinen Bestimmungen und Verordnungen – statt zu ermöglichen und zu erleichtern, wird gebremst und erschwert. „Die Hoffnung wird vom Warten aufgesogen und die Träume entgleiten in die Ferne – jedes Jahr ein Stück weiter“, fasst eine der Autorinnen ihre Erfahrungen in Deutschland zusammen.
Und schließlich wird manch geflüchtete Frau auch noch in ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit enttäuscht. Sie lernt Deutsch, bildet sich fort und studiert, doch wenn sie einen Ausbildungsplatz, ein Praktikum oder eine Anstellung sucht, scheitert sie an einem Stück Stoff. Syrerinnen, die ihr Kopftuch aus eigenem Willen und persönlicher Überzeugung tragen, empfinden den Emanzipationsdiskurs in Deutschland als verlogen. „Sind wir nicht im Land der Freiheiten, in dem Bürgerinnen und Bürger das Recht haben, ihre eigene Kleidung auszusuchen, als Teil ihrer persönlichen Freiheit?“, schreibt eine von ihnen. Hier hilft nur, Klischees zu überwinden, eigene Vorurteile abzubauen und das Grundgesetz zu verinnerlichen. Erst dann können wir Befreiung in jeder Form begleiten ohne sie bewusst oder unbewusst zu lenken. Das Ziel kann nicht sein, möglichst viele Frauen davon zu überzeugen, ihr Kopftuch auszuziehen. Sondern nur, ihnen die freie Wahl ihrer Garderobe zu ermöglichen und diese dann zu akzeptieren. Wer in Deutschland freiwillig ein Kopftuch trägt, sollte respektiert und nicht diskriminiert werden.
Es geht also um Perspektiven und die Bereitschaft zum Perspektivwechsel. Um unsere Sichtweise auf die anderen und die Wahrnehmung der Frauen. Dazu kann womenforcommonspaces.org beitragen. Es hilft uns, die Frauen als handelnde Subjekte mit eigenen Gedanken, Fähigkeiten und Plänen wahrzunehmen. Denn so unterschiedlich die persönlichen Geschichten der Schreibenden sein mögen – sie verbindet alle ein Ziel: Sie wollen Protagonistinnen ihres eigenen Lebens sein, selbstbestimmt und frei vom Erwartungsdruck anderer, egal ob Syrer oder Deutsche.
المطلوب إذن تقديم آفاق واستعداد لتغيير نظرتنا للآخرين وللنساء خصوصاً. ويمكن لمشروع نساء من أجل مساحات مشتركة أن يساهم في ذلك، إذ يساعدنا أن ننظر إليهن باعتبارهن فاعلات لديهن أفكار وإمكانيات وخطط. فكلما كان هناك تنوع في القصص الشخصية للكاتبات، كلما وحّدهن هدف واحد: يُردن أن يكنّ سيدات حيواتهن وأن يقررن مصيرهن بأنفسهن، بمعزل عن توقعات الآخرين، إن كانوا سوريين أم ألماناً.